Ein Kunde wählte ein von seiner Sekretärin mit KI erstelltes Logo statt unseres.
Klingt wie ein Albtraum, oder? Aber genau das ist dem Creative Director Davide Colla von 150UP tatsächlich passiert. Das erzählte er mir im DMEXCO Podcast.

Das brachte mich zu der Frage:
Welche Daseinsberechtigung hat ein Creative Director heute und in Zukunft, in einer Welt, in der Tools fast jede handwerkliche Aufgabe eines Kreativen übernehmen könnten? Und wie muss der CD dafür sein?
Auch beim Creativity Summit 2025 des BVDW wurde die Frage diskutiert. Unter anderem brachte die Moderatorin Dora Osinde von Ogilvy die Frage auf: Wen würdet ihr eher als CD einstellen? Jemanden mit 20 Jahren Agenturerfahrung, aber ohne Social-Media-Accounts? Oder jemanden, der täglich sechs Stunden auf TikTok ist, aber nie ne 360-Grad-Kampagne entwickelt hat? Einfach mal drüber nachdenken.
Aus beidem abgeleitet 6 fundierte Tipps, wie der Creative Director der Zukunft aussehen und arbeiten sollte:
#1 Werde zum Kurator statt nur zum Creator
In einer Welt, in der KI Millionen von Varianten erzeugen kann, liegt die wahre kreative Leistung darin, das Wertvolle vom Belanglosen zu unterscheiden. Der CD von morgen erkennt, was neu, mutig und relevant ist – und beerdigt alte Ideen, die längst zu Zombies geworden sind. KI kann Vorschläge machen, aber Qualität selektieren bleibt menschliche Aufgabe.
#2 Kreiere Räume, nicht nur Konzepte
Moderne Creative Directors führen nicht mehr allein über Hierarchie, sondern durch Gestaltung von kreativen Räumen. Sie schaffen Umgebungen, in denen Teams frei denken, experimentieren und Risiken eingehen können – kollaborativ, offen, iterativ. Führung wird zur Ermöglichung. Wer den höchsten Anspruch an eine Idee hat, sollte die Verantwortung übernehmen – unabhängig vom Titel.
#3 Nutze KI – aber bleibe der Regelbrecher
Der Job lässt sich technisch „KI-isieren“ – aber nicht die Fähigkeit, Regeln bewusst zu brechen und Konventionen zu hinterfragen. KI liefert solide Mittelmaß-Konzepte. Der Creative Director von morgen geht weiter: Er erkennt, wann man gegen die KI arbeiten und Regeln brechen muss, um echte Originalität zu schaffen.
#4 Fördere spielerisches Denken
Kreativität heute ist spielerischer, experimenteller und technischer als früher. Tools wie TikTok, Midjourney oder AR brechen lineare Prozesse auf. Der CD von morgen muss Lust auf Veränderung haben, Neues anstoßen und neugierig bleiben. Nicht alles muss sofort „verkaufbar“ sein – manche Ideen brauchen Spielraum, um zu wachsen.
#5 Verstehe Führung als Teamleistung
Die klassische Verbindung von Kreativität und Management wird neu gedacht: Führung und Kreation dürfen (und sollten) getrennt werden. Kreative müssen nicht automatisch People Management übernehmen. Vielmehr zählt die Fähigkeit, Visionen zu entwickeln und die Energie des Teams in die richtige Richtung zu lenken – oft in dynamischen, interdisziplinären Konstellationen.
#6 Verbinde alte Schule mit neuer Plattform-Realität
Die Zukunft gehört denen, die Cannes im Kopf und TikTok im Bauch haben. Es reicht nicht, nur digital zu denken – und auch nicht, nur klassische Exzellenz zu beherrschen. Der CD muss Brücken bauen zwischen Plattform-Mentalität und Markenverständnis, zwischen Speed und Tiefe, zwischen Data und Emotion.
Fazit: Der Creative Director von morgen ist …
… ein technologieaffiner Visionär, ein Coach für junge Talente, ein strategischer Markenführer, ein Storytelling-Experte und ein kreativer Praktiker, der AI als Werkzeug, nicht als Bedrohung versteht.